Shenzhen – Willkommen in der Zukunft
Wow! Krass was hier innerhalb der letzten 40 Jahre einfach mal so hingezimmert wurde: eine bombastische Stadt für schätzungsweise 40 Millionen Menschen. Es leben aktuell aber weit weniger hier. Das macht es ganz angenehm – nicht überall trifft man auf Menschenmassen. Ja es ist modern, die Stadt ist angekommen in der Zukunft. Keine Altlasten, dafür aber auch kein gewachsener Stadtkern und all das, was ich mit „Charm“ bezeichnen würde. Dennoch fasziniert die Stadt. Wenn man nicht auf demokratische Abstimmungen oder natürliches Wachstum warten muss, sind Entscheidungen einfach schneller getroffen. Es gibt ausschließlich Elektroautos, nicht jeder Platz erfüllt einen wirklichen Nutzen, aber beeindruckend bombastisch ist es allemal – so auch die Lightshow, die jedes Wochenende am Citizen Square stattfindet.
Arbeiten in Shenzhen: Ich nutze die Zeit in Shenzhen auch am Rechner – bin hin und wieder in einem Co-Working Space oder in meinem neuen Lieblingscafé. Aufgrund der Sprachbarriere fällt es aber unglaublich schwer, mit Locals in Kontakt zu kommen. In der Tat fiel mir das in noch keinem Land so schwer. In dem kleinen Café fühl ich mich aber pudelwohl – ich beobachte den Tagesablauf der Familie – neben dem Café ist in den Räumlichkeiten noch ein Blumenladen und eine Probenecke für die Family-and-Friends-Band eingezogen. Nur Kundschaft gibt’s außer mir kaum. Schon spannend.
Und was ich auch lustig, aber sehr positiv finde: Die Chinesen machen mittags einfach ein kleines Nickerchen – egal wo. Absolut effizient. Ich selbst bin nach 10 Minuten „Augen zu“ maximal effizienter, anstatt sich drei Stunden lang durchs Mittagsverdauungskoma durchzukämpfen.
Abends geht es dann zum Workout auf einen der großen Plätze der Stadt. Eigentlich finden an fast jeder Ecke abends offene Tanzgruppen statt – vorzugsweise Linedance. Modern, traditionell, Hiphop oder eher Aerobic – es ist für jeden Geschmack etwas dabei. Und der Andrang ist riesig. Die Gruppen tummeln sich so eng beieinander, dass der Mix der unterschiedlichen Musikrichtungen, die an mein Ohr dringen, nahezu Ohrensausen verursacht.
Ach ja, und da ist noch die Sache mit dem Essen. Ja, es ist tatsächlich so abgefahren, wie man immer hört. Und einmal durch einen Food-Court zu schlendern ist definitiv ein Muss: Spinnen, Seepferdchen, Frösche, Stinkefrucht und alles mögliche an Krabbeltier tummelt sich hier. Meist gegrillt und mundgerecht am Spieß. Es ist aber auch gar nicht so einfach etwas zu finden, woran man als Stämmiger der europäischen Kultur gewöhnt ist. Hat man es, kann ich versprechen, es ist yummy!
Essen gehen mit Locals offenbart einem dann tatsächlich das richtig gute Essen – und es ist so herrlich gesellig. Es wird nämlich immer geteilt. Sei es mit einem Hot Pot in der Mitte oder dass für alle frisch gebraten wird. Gut aber, wenn jemand dabei ist, der die Karte lesen kann. Da hatte ich das Glück, durch einen Freund, der in Shenzhen lebt, gleich eine tolle, bunt gemischte Truppe um mich zu haben. Beste kulinarische Guidance ever!
Davon Oil Painting Village: Ein kleiner Ausflug. Hier bekomme ich dann neben den ganzen modernen Skyscrapern doch noch etwas Kultur. Ein kleines Viertel mit ganz viel Kunst. Toll, um sich einfach treiben zu lassen.
Yunnan Province
Tiefer rein ins Landesinnere. Die Yunnan Provinz im Süden Chinas grenzt an Tibet und scheint dem internationalen Tourismus entkommen zu sein. Ich treffe hier zumindest keinen einzigen Nicht-Asiaten. Weder in Kunming, der Hauptstadt der Provinz, noch in den ländlicheren Gegenden. Es hat sich auch definitiv ausgeenglischt. Obwohl die Attraktionen wie z.B. Stone Forrest typisch chinesisch ausgebaut sind. Es mag aber auch an der Jahreszeit liegen. Sagt man Yunnan auch ewigen Frühling nach – mein Host meint, das sei die größte Lüge über die Gegend, kann es im Dezember doch ganz schön kalt werden.
Der Stone Forrest bei Shilin – eine wirklich außergewöhnliche Felsformation. Landschaftlich umwerfend. Umgeworfen haben mich allerdings auch die 3 Millionen chinesischen Touristen dort, die alle mit Mikrofon bewaffneten Guides über das Gelände schieben – einer lauter und schriller als der andere. Idyllische Landschaft trifft „the Chinese way of traveling“. Eigentlich würde ich ne Vollmeise kriegen, finde es dann aber doch ganz amüsant zu beobachten. Und wie üblich: Geht man einfach mehr als 10m in den Park, hat man die hiesigen Besucher auch schon hinter sich gelassen und ist fast ganz allein – Laufen mögen sie nämlich nicht so.
Weiter Richtung Süden prägen Reisfelder und -terassen die Landschaft. Wunderschön anzusehen. Und das erste Mal hab ich das Gefühl, dass nicht alles mit Beton „verziert“ ist in China.
Mit dem Zug geht es nach Hekou, mit dem Taxi zur Grenze und dann zu Fuß über die Brücke nach Vietnam. Der spannendste Grenzübergang bislang. Ich hatte mir kurz ausgemalt, was wohl passiert, wenn mein irgendwie online organisiertes eVisa für Vietnam – Internet war mal wieder so ein Thema in China – nicht korrekt ist und ich auf der Brücke zwischen beiden Ländern festhänge. Naja, Schlafsack hab ich ja dabei.
Dinge, die ich im Süden Chinas gelernt habe
1. Nah an Tibet, nah an der Geschichte. Mein Host erzählt mir von einer Frau, die in Yunnan und in Tibet ein Kinderheim errichtet hat und deren Sohn hier nun eine sehr erfolgreiche Brauerei betreibt – nach deutscher Braukunst. Ich muss natürlich probieren. Die Geschichte der Frau (Name wusste er nicht, konnte ich aber recherchieren) gibt es als Buch. Toll ihre Biografie zu lesen, während man sich gerade genau in dieser Gegend befindet. Und sehr lehrreich.
2. So fühlt es sich also an, ignoriert zu werden. Und zwar bis aufs letzte. Mir hatten netterweise die Mädels im Hostel in Kunming das benötigte Bahnticket gebucht. Soweit ich verstanden habe, brauche ich nun nur noch meinen Pass, um das Ticket am Bahnhof zu erhalten. Automat funktioniert nur mit chinesischer ID – also auf zum Schalter. Endlich vorne angekommen, begrüß ich die Dame freundlich, zeige ihr Pass und ein Foto der Onlinebuchung. Ein kurzer Blick in meine Richtung, dann starrt die freundliche Damen auf der anderen Seite der Scheibe in ihren Bildschirm. Ich wedel mit meinem Pass, kein Wimpernzucken. Dann eine kurze Kommunikation mit einer Kollegin, ich schöpfe Hoffnung. Falsch gehofft. Weiterhin starrer Blick in den Bildschirm, ich versuche es nochmal mit Winken und Klopfen, dreh mich um, ob mir vielleicht jemand der Wartenden helfen kann. Niente. Da steh ich nun – rundum ignoriert. Das ist so surreal, ich muss laut loslassen… und räume schließlich den Platz.
3. Ich muss nicht alles probieren. Zumindest beim chinesischen Essen kommt meine Experimentierfreudigkeit nicht so richtig aus dem Knick – ist aber auch nicht wirklich schlimm… finde ich.