Vietnam : nur eine Brücke entfernt

Da ist es, das nächste Abenteuer. Ich weiß gar nicht richtig was auf mich zukommen wird. Auf ausgiebige Internetrecherche hatte ich mal wieder der Effizienz halber verzichtet – klingt irgendwie besser als zuzugeben, dass ich einfach zu faul war und keine Lust hatte, meine Zeit am Rechner oder Handy zu verbringen.

Sapa – Vietnam von oben

Wie so oft im Leben waren alle Sorgen umsonst: Ohne Probleme hat der Grenzübergang von China nach Vietnam funktioniert. Da ich nun schon einmal in den Bergen im Norden Vietnams bin, ist mein erstes Ziel das nahe der Grenze gelegene Sapa. Ich freue mich auf Berge und auf Reisterassen. Für die Nachtruhe habe ich mir ein Homestay ausgesucht. Sehr günstig (ich glaube umgerechnet 3€ die Nacht) und laut Karte am Ortsrand gelegen. Die Angabe bei Google war nicht ganz korrekt… und so finde ich mich nach einem kleinen Marsch mit Sack und Pack etwas oberhalb des traditionellen Dorfes im Tal wieder. Wunderschön mit Blick über die Reisterassen gelegen.

Erwartet wurde ich nur nicht. Dort angekommen traf ich nur eine ältere Frau, die offensichtlich nicht zuständig war. Kommunikation war nicht wirklich möglich. Also setzte ich mich und wartete… bis der Wirt seinen Rausch einigermaßen ausgeschlafen hatte – es war inzwischen 17 Uhr. Nett aber etwas verpeilt. Ich war daher ganz dankbar, als ein weiterer Gast ankam und ich nun wusste, dass ich nicht allein sein werde. Wir wurden insgesamt drei Gäste. In letzter Sekunde bevor alles schloss hatten wir uns noch schnell etwas zu Essen besorgt und verbrachten einen netten Abend mitten in der Natur.

Ganz froh war ich, dass ich inzwischen gelernt hatte, mich nachts warm zu halten. Die Hütte bestand lediglich aus ein paar Brettern. Bei einer Nachttemperatur von 5 Grad kann das ganz schon zugig werden. 

Für den nächsten Tag hab ich mir bereits ein Busticket nach Hanoi gesichert. Mir bleibt also ein guter halber Tag, um durch die Reisterassen zu wandern. Es geht früh los… und ich genieße den Blick über die Täler. Kann bis heute nicht sagen, ob ich Berge dem Meer vorziehen würde oder andersherum. Ich mag es auf jeden Fall, in die Ferne und Tiefe blicken zu können. Als würde man wie ein Vogel über dem Leben, Treiben und allen Sorgen da unten schweben.

Hanoi – geschäftig und doch gemütlich

Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen auf diese Stadt. Ich hab schon so viel über Hanoi gehört. Von dem ein oder anderen sogar: „Für mich ist das die schönste Stadt, in der ich je war!“

Der Bus – ein Schlafbus – hält nur ein paar Gehminuten von meiner Unterkunft entfernt. Ich werde ausgespuckt mitten zwischen tausenden von hupenden Rollern. Und schlängel mich über die mit Tischen, Roller und anderem Zeugs zugestellten oder erst gar nicht existenten Gehwege bis zum Hostel. Einchecken, Duschen, gute Nacht! Ach ne stimmt gar nicht, ich war ja noch zum Dinner verabredet – mit einem Italiener, den ich im Bus kennen gelernt hatte. Wurde also doch später mit dem gute Nacht sagen. 

Abenteuer Train Street

Den nächsten Tag schlendere ich durch die Stadt, lasse mich treiben und entscheide, auch wenn sie angeblich geschlossen und von der Polizei abgeriegelt ist, dennoch einmal bei der Train-Street vorbei zu schauen. Zu sehr hatte ich mich gerade eben auf diese Straße in Hanoi gefreut. Und ja, sie ist abgeriegelt, samt Officer an allen Eingängen. Vorsichtig, fast schon schüchtern aber dennoch neugierig luscher ich über die Absperrung.

Plötzlich kommt der Mann neben dem Polizisten auf mich zu, fragt, ob ich rein möchte in die Straße. Ich gucke ihn wohl mit großen Augen an und nicke. Erst vorsichtig, dann ziemlich deutlich. Ich solle ihm folgen. Mach ich dann auch. Nach einigen Metern kommt mir dann doch kurz der Gedanke, ob das eine so blendende Idee ist, einem wildfremden in eine Gasse zu folgen. Mein Bauch sagt: „alles ok“ und bevor mein Hirn weiterarbeitet sind wir auch schon angekommen. Er hat mich zu einem winzigen Café gebracht. Eigentlich mussten die Cafés alle schließen – also besuche ich grad wohl offiziell Freunde. Wie das mit dem Polizisten am Eingang klar ging, braucht man wohl nicht weiter zu erklären. Da saß ich also. Bei einem leckeren Smoothie in DER Straße Hanois, die eigentlich geschlossen ist, und warte auf die planmäßige Ankunft bzw. Durchfahrt des Zuges.

Fünf Minuten vor Ankunft werden alle Stühle nach innen gestellt und ich muss die Straßenseite wechseln. Wir stellen uns alle in die Türschwellen und Eingänge der Häuser und warten mit gezückten Handys auf den Zug. Und da kommt er… und rauscht in wenigen Zentimetern Abstand an unseren Nasen vorbei. Wow! So beeindruckend! Bin wirklich froh, dass ich das doch noch erleben durfte.

Es folgte eine ausgiebige Fotosession auf den Gleisen mit den beiden Jungs vom Café – war natürlich verboten, aber ich hätte ja eigentlich auch gar nicht erst da sein dürfen. Und so beschloss ich auch noch auf den nächsten Zug in 1,5 Stunden zu warten und noch etwas zu essen. Ich war gerade fertig mit meinem Snack als ich merkte, dass es um mich herum hektisch wurde. So ganz klar war mir der Auslöser noch nicht, aber blitzschnell verstand ich, dass alle Stühle samt Gäste nach innen verschwinden mussten. Da standen wir nun mit den Stühlen unter, um und über uns, unsere Gläser irgendwie in der Hand balancierend eng gedrängt in dem mini Innenraum des Cafés. Und dann sahen wir erst warum: die Polizei lief Patrouille. Gefühlt hielten wir alle für einen Moment die Luft an. Dann waren sie vorbei… und in die Stille brach unser aller Lachanfall.  

Zwei weitere Tage schlendere ich durch die Straßen Hanois, teste den berühmten Egg-Coffee – Kaffee mit einem darin aufgeschlagenen rohen Ei – und schlürfe einen Coconut-Coffee nach dem anderen. See, Park, Nachtmarkt, kleine Gassen, alle voll mit Rollern, Streetfood und immer diese Minitische mit Minihockern auf denen die Leute auf der Straße sitzen. Geschäftig und doch gemütlich. Das Nachtleben scheint ebenfalls Spaß zu bringen. Mir ist aber nicht richtig danach, bin also meist gegen 23 Uhr glücklich im Bett.

Entscheidungen, Entscheidungen

Es weihnachtet! Und so langsam muss ich mich entscheiden, wo ich eigentlich Weihnachten verbringen will. Noch zwei bis drei Wochen Vietnam ist mir irgendwie zu viel. Auch wenn ich es hier mag, irgendwie ist es mir zu touristisch. Es ist so einfach von A nach B zu kommen, mit Locals kommt man kaum in Kontakt geschweigedem ins Gespräch. Ich beschließe, noch ans Meer zu fahren und Weihnachten dann in Kuala Lumpur zu verbringen… dann bin ich schon mal Richtung Sulawesi unterwegs. Das ist meine nächste „da will ich unbedingt hin“-Destination. Warum kann ich gar nicht wirklich sagen.

Pack die Badehose ein…

Für meinen Ausflug ans vietnamesische Meer entscheide ich mich gegen Ha Long Bay und für die andere Seite der berühmten Bucht: Cát Bà. Dort treffe ich Andi aus Huppendorf bei Bamberg wieder – wir hatten uns dereinst in Irkutsk in Sibirien kennengelernt. Komplett unterschiedliche Reiserouten, aber hier sind wir nun beide angekommen. Dank seiner effizienten Recherche bekomme ich für 5 € / Nacht ein Zimmer mit King Size Bett in einem brandneuen Hotel. Ein eigenes Zimmer! Mit eigenem Bad! Wie sehr man sich über so ein klitzeklein wenig Komfort freuen kann. Ich pack erst mal alles aus und verteile es im gesamten Zimmer. Einfach nur so. Weil ich kann.

Die nächsten Tage verbringen wir mal zusammen mal mit anderen mal allein. Es geht uns beiden ähnlich: mal nicht ständig irgendwas tun ist auch ganz schön.

Einen Tag zieht’s uns aufs Wasser. Mit Boot und Kanu geht es durch die schwimmenden Fischerdörfer, an Felsformationen vorbei in versteckte Buchten. Der Vormittag ist noch recht neblich. Ich liebe die Stimmung, fast mystisch.

Ein Video dazu gibt’s hier.

Dinge, die ich in Vietnam gelernt habe:

1. Ich bin verwöhnt. Und zwar von untouristischen Gegenden. Ich kann mich nur schwer daran gewöhnen, dass alles so einfach ist. Gleichzeitig bleiben Touristen hier unter sich. Natürlich ist es auch schön mit anderen Reisenden Erfahrungen auszutauschen. Mir wird aber auch bewußt, auf welch unausgetretenen Pfaden ich bislang unterwegs war – und wie sehr ich das mag.

2. Das Meer scheint hier tatsächlich schmutziger als ich es bislang kannte. Plastik schwimmt im Wasser und es wirkt auch trüb. Es soll an anderen Stellen Vietnams allerdings noch viel mehr sein, gerade an den Stränden. Ich merke, dass ich nicht den Wunsch hege von Board zu springen – wo ich mich das jetzt ja inzwischen prinzipiell traue.

3. Reise-Burnout als neuer Trend. Der Austausch mit anderen Reisenden wird recht schnell anstrengend. Ich merke wie sie sich gerne gegenseitig übertreffen an „informiert sein“ oder der Anzahl an Orten, an denen man schon war. Und ich merke, wie es den ein oder anderen regelrecht stresst. Komische Dynamik. Da ist man irgendwo auf der Welt, weit weg von der Heimat, all dem Alltagsstress. Und als ob etwas fehlen würde, werden neue Stressfaktoren aufgebaut. Ich merke, wie der ein oder andere ziemlich hadert, sogar überlegt abzubrechen. „So 2-3 Wochen Heimaturlaub, das wär gerade erholsam.“ Verrückte Welt, schräge Menschheit. Und ich freue mich wieder über meinen entspannten Ansatz, nicht das Reisen im Fokus zu haben, sondern mir einfach von Tag zu Tag zu überlegen, worauf ich Lust habe. 

Und diese Lust zieht mich weiter nach Malaysia

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