2. Etappe : reine Nervensache

Das es kein Spaziergang wird, war mir schon klar. Aber das… volle Breitseite gleich am zweiten Tag.

Früh morgens sattele ich mein Bemo also wieder. Mein Ziel für heute: Pare-Pare. Ca. 115 km Richtung Norden, immer entlang der Küste. Zuerst aber einmal auftanken. Noch bin ich mir nicht sicher, in welchen Abständen ich an Tankstellen vorbei kommen würde. Dass fast vor jedem Haus entlang der Straße Benzin in Flaschen verkauft wird, entdecke ich erst später. Also, erster Stopp: Tankstelle. Natürlich nicht ohne ein bis zehn Fotos und Selfies mit beliebigen Leuten vor Ort. Inzwischen kann ich auch schon „volltanken bitte“ auf Indonesisch sagen. Den Rest versteh ich nicht, schmeiße aber einfach mal Makassar ins Gespräch ein und deute zurück. Danach Pare-Pare bzw. Manado (ganz im Norden Sulawesis) mit Fingerzeig nach vorne. Ich ernte große Augen und ein „ohhhh“. Dann geht es auch weiter bzw. endlich auf meine erste längere Etappe.

Einsam wird es auf dieser Strecke nicht. Eigentlich merkt man noch nicht einmal, ob man einen Ort verlässt oder den nächsten schon erreicht. Entlang der Küstenstraße reihen sich durchgängig Häuser aneinander, abwechselnd wird Essen oder Obst verkauft. Es reißt nicht ab.

Nur die Schönwetterphase mit Sonnenscheint reißt irgendwann ab. In Windeseile hatte ich 40 bis 50 km abgerissen, da zieht es langsam zu und aus den dunklen immer näher und dichter ziehenden Wolken lösen sich nach und nach immer mehr Regentropfen. Aber – kein Problem! Ich hab ja ein Dach und die Seiten kann ich auch schließen.

Grinsend über mein geniales Gefährt – den Scheibenwischer hab ich auch erfolgreich in Betrieb – tucker, eigentlich brause ich trockenen Fußes also weiter meines Wegs.

Bis auf einmal, wie aus dem nichts, der Motor kurz das Stottern anfängt und ich merke, dass Gas geben keinen Effekt mehr hat. Ich werde langsamer und langsamer, der Motor geht aus. Uff. Da steh ich also, im strömenden Regen am Straßenrand und mein Bemo macht keine Anstalten noch mal wieder anzuspringen.

Hilft nix, ich muss raus ins Nass. Bei 28 Grad macht das ja aber auch gar nicht so viel. Kalt wird einem auf jeden Fall nicht. Ich gehe nach hinten und öffne die Motorhaube – völlig fachmännisch versteht sich – und strecke die Nase hinein. Doch noch bevor ich Zündkerze und Benzinzufuhr überprüfen kann, steht schon ein Mann neben mir. Mit nur zwei Sätzen und Gesten stellen wir fest, dass wir uns nicht unterhalten können. Dennoch kann ich sehr bestimmt ausschließen, dass der Tank leer ist. Für den Small-Talk füge ich wieder ein „Makassar“ (Daumen zeigt nach hinten) und ein Pare-Pare (Zeigefinger deutet nach vorne) hinzu. Große Augen sind die Antwort. Aber das Eis ist gebrochen. Ich reiche mein Werkzeug – ausgestattet bin ich ja. Dann folgt eine Arie von Schraubarbeiten in der Motorhaube und Startversuchen meinerseits aus der Fahrerkabine. Nichts. Für eine halbe Ewigkeit nichts. Doch dann verändert sich das Geräusch beim Anlassen, Hoffnung kommt auf. Und irgendwann – tataaa – der Motor läuft wieder. Es kann weiter gehen.

Es scheint wirklich wieder alles einwandfrei zu laufen. Für ca. 3 km. Dann das gleich Spiel von vorne. Motor geht einfach während der Fahrt aus. Wieder muss ich nicht lange warten. Diesmal kommt ein ganzer Trupp Jungs und Männer rüber auf meine Straßenseite. Ich öffne die Motorhaube, hinten wird geschraubt, vorne versuch ich immer wieder zu starten. Die Minuten ziehen ins Land. Nach einer halben Stunde, endlich, der Motor springt wieder an. Doch so schnell komm ich nicht davon. Ich soll unbedingt noch etwas mit essen kommen in dem gegenüberliegenden Restaurant. Der Trupp war nämlich gerade mit einem Bus auf dem Weg von Palopo nach Makassar und macht hier Pause. Auch wenn keine wirkliche Kommunikation aufgrund der Sprachbarriere möglich ist, da komm ich nicht raus. Und zugegeben, eine Kleinigkeit zu essen ist gar keine schlechte Idee. Zudem kann ich mich so bei meinen Helfern bedanken und sie einladen. Dachte ich. Falsch gedacht. Ich muss alles, was auf dem Tisch steht, probieren… doch bezahlen darf ich anschließend nichts davon.

Nach einer Stunde mache ich mich also wieder auf den Weg. Quer durch den Regen. Der auch heute nicht mehr aufhören soll. Nach 3 km… das gleiche Spiel. Motor off. Puh.

Diesmal komme ich auf einem leeren Stück Straße zum Stehen. Keine Menschen in Sicht. Es gießt aus Eimern. Eigentlich braucht man Schwimmflügel, um die Straße zu überqueren. Ich schnappe mir meinen Daybag mit Laptop und allen Wertsachen und renne los. Ein paar Meter weiter finde ich ein paar Jugendliche, die unter einem Dach Musik machen. Natürlich spricht niemand Englisch. Und nicht alle sind begeistert, mit mir mitzukommen und nachzusehen, was los ist. Zwei von Ihnen begleiten mich also und schieben anschließend mich samt Bemo die Straße hoch zu ihrem Domizil. Vor mir liegen aktuell noch ca. 60 km. Auf Google Maps kann ich vor Pare-Pare keinerlei Unterkunft ausmachen. Und es ist bereits 15 Uhr. Um 18 Uhr wird es hier dunkel und bis dahin wollte ich unbedingt angekommen sein. Bei meinem Tempo und Rhythmus von 3 km fahren, eine halbe Stunde rumschrauben, nahezu aussichtslos.

Die Jungs machen sich dran, sich mein Gefährt vorzunehmen. Während ich versuche Plan B einzuläuten und mit Händen und Füßen nach einer Schlafmöglichkeit frage. Mein Bemo scheint aber interessanter als meine Kommunikationsversuche. Nach ca. 40 Minuten lief das gute Stück dann wieder. Von meiner Erfahrung geprägt, dass das ja nur für weitere 3 km gut gehen wird, versuche ich beharrlich nach einem Schlafplatz zu fragen, während die Jungs mich ganz optimistisch wieder auf die Reise schicken wollen. Und das alles mit kaum funktionierender Übersetzungs-App und unter vollem Körpereinsatz von Händen und Füßen. Einer der Jungs testet daher nochmal für ein paar Meter und kam strahlend zurück: Läuft! Also gut, ich fahr weiter…

Nach einigen Kilometern – für mich schon gänzlich erwartungskonform – das gleiche Spiel. Die Zeit rennt davon, die Dämmerung ist bereits in Sicht. Das ist der Moment, in dem ich kaum noch Abwehrkräfte gegen einziehenden Pessimismus aufbringen kann. Ich kann mich gar nicht mehr genau an jedes einzelne Liegenbleiben erinnern. Ich weiß nur noch, dass es inzwischen das sechste Mal sein musste. Inzwischen überlege ich mir schon, ob und wie ich in meinem Bemo nächtigen könne. Sowas wie eine Werkstatt scheint es erst in Pare-Pare zu geben. Glücklicherweise kann hier ja aber immerhin so gut wie jeder an einem motorisierten Untersatz erfolgreich herumwerken.

Auf einer meiner 3 km Etappen sehe ich plötzlich eine riesige Wasserlache auf mich zukommen. Sie erstreckt sich über die gesamte Fahrbahn und die Tiefe ist nicht abzusehen. Eine Wahl habe ich nicht. Also: Augen zu und durch!. Ein paar Meter weiter bleibe ich wieder liegen. Uff. Hab ich erwähnt, dass es immer noch in Strömen regnet? Kein Haus in Sicht. Nach einiger Zeit hält ein Mann mit Pickup und seinem erwachsenen Enkel an. Er werkelt was das Zeug hält. Nach viel Geduld – eine halbe Stunde fühlt sich im Regen und mit ausreichend Mutlosigkeit wie eine Ewigkeit an – und Einsatz von Herzblut sprang mein Gefährt wieder an. Und hier ist sie, die alles entscheidende Erkenntnis. Der nette Mann hilft mir nicht nur, mein Bemo wieder zum Laufen zu bringen, sondern macht zu den Malen zuvor den wichtigen Unterschied: Mit Händen und Füßen erklärt er mir, dass das durch Spritzwasser von unten verursacht war. Die Erleuchtung!

Fortan meide ich also auch jede noch so kleine Pfütze, bleib stehen, weiche auf die Gegenfahrbahn aus und fahre – wenn unbedingt nötig – nur im Schritttempo durch. Und so schaffe ich es tatsächlich ohne einen einzigen weiteren Zwangsstopp noch vor Sonnenuntergang bis nach Pare-Pare.

Mental ziemlich erschöpft und gleichzeitig laut lachend falle ich in mein Bett.

Und mir scheint an diesem Abend so ziemlich alles ziemlich egal. Hauptsache trocken und ein Bett. Die Auswahl an Unterkünften ist in Pare-Pare sowieso nicht allzu groß. Da liege ich also in einem Hotelzimmer – ohne Fenster, ohne Frischluft mit leicht muffigen Wänden und einem derbe stinkenden Abfluss im Badezimmer. Aber hey, ich bin angekommen.

Von diesem Tag gibt es quasi genau null Fotos. Ich war definitiv mit anderem beschäftigt 😀

Regenbeschwörung in Pare-Pare

Der nächste Tag sollte ebenfalls einem Wasserfall gleich kommen. Da ich nun die Ursache meiner stotternden gestrigen Fahrt kenne, weiß ich, dass ich viel mehr trockenes Wetter anstelle einer Werkstatt brauche. Ich entscheide also, noch eine Nacht länger in Pare-Pare zu verharren. Allerdings wechsel ich die Unterkunft. Aber auch im nächsten Hotel sind die Zimmer innenliegend. Aber immerhin stinkt es nicht mehr so bestialisch aus dem Badezimmer.

Und ich schaffe in einer Regenpause noch einen kurzen Streifzug durch die Stadt. Nichts Sehenswertes, wie ich finde. Aber auch das gehört für mich dazu, wenn man sich nicht auf Tourispots stürzt.

Am nächsten Tag klart der Himmel dann wieder auf. Es kann weitergehen. Mit einer Mischung aus Skepsis und Vorfreude packe ich meinen Backbag auf die Rückbank und werfe den Motor an. Auf Richtung Berge.

Von Pare-Pare nach Rantepao

Ich entschied mich für die Strecke über Pinrang, dort will ich noch einmal volltanken, bevor ich mich an die Höhenmeter wage. Einwandfrei der Weg bis dahin. Doch dann plötzlich, kurzes Stottern und wieder aus. Ich stehe auf einer belebten Straße. Ich schaffte es gerade noch an den Straßenrand bevor ich zum Stehen kam. Sofort strömt ein Trupp Menschen auf mich zu. Eine Frau spricht etwas Englisch. Sicherheitshalber hole ich zwei Flaschen Benzin, wir füllen auf und zwei der Männer machen sich in meiner Motorhaube zu schaffen. Nach einiger Zeit läuft mein Bemo wieder. Es lag wohl lediglich an der Zündkerze, die etwas feucht war. Das kenn ich ja noch von meiner Vespa früher. Ich hoffe einfach, dass es das war und sich die Tour nicht wieder so fortsetzen würde, wie sie zuletzt geendet hatte. Zumal ich nicht weiß oder abschätzen kann, was in den Bergen auf mich zukommt. Sicherlich ist die Gegend nicht mehr so dicht besiedelt, wie die Küstenstraße bislang. Die so netten, hilfsbereiten und fröhlichen Menschen, denen ich auf der ganzen Strecke bereits begegnet war, ließen den Mut bei mir nicht sinken. Auch wenn ich diesen Gemischtwarenladen von Frust, Mutlosigkeit, Vorfreude, Abenteuerlust und Begeisterung der Menschen um mich herum in meinem Bauch nicht leugnen kann. Mit diesem bunten Fest in der Magengegend setze ich also den Blinker Richtung Tana Toraja.

Die Landschaft ändert sich, mehr Bäume, mehr Palmen, weniger Felder und Häuser. Keine breite Straße mehr, die überwiegend geradeaus führt. Dafür mehr Schlaglöcher, mehr Serpentinen, mehr Idylle. Es ist eine absolut traumhafte Strecke. Und ich bin stolz auf mein Bemo, wie souverän es die teilweise wirklich steilen Abschnitte unter sich wegdrückt. Ich fahr und fahr. Mein Grinsen wird immer breiter, die Strapazen und Nervenverluste der letzten Tage werden im Rückspiegel immer kleiner.

Ich komme so gut voran, dass ich den Zwischenstopp für eine Nacht sogar cancel und direkt nach Tana Toraja durchbrettere. Da packt mich wohl gerade mein Ehrgeiz und der Wunsch doch noch rechtzeitig zu der anstehenden Zeremonie in Tana Toraja anzukommen. Was für ein Ritt. Und doch fühle ich mich zwar kaputt, aber gleichzeitig im völligen Höhenflug als ich in Rantepao einfahre.

Und dabei ahne ich noch kein Stück, wie einzigartig meine Zeit hier im Hochland Tana Torajas werden wird.

1 Kommentar

Kommentieren

Schreibe einen Kommentar