Peking : inmitten der Hutongs
Keine Wolkenkratzer, sondern gemütliche Gassen. Ein Glück, dass ich meine Unterkunft ahnungslos richtig gewählt habe. Peking ist zwar riesig, hier lässt es sich aber fast vergessen. Es mag daran liegen, dass es die Tage vor dem 70. Jubiläum Chinas sind, dass die Strassen gar nicht so überfüllt sind. Ich empfinde es als angenehm.
Bis ich – von meiner „ich plane nicht Attitude“ eingeholt –feststelle, dass die Innenstadt Pekings zum Jubiläum komplett abgeriegelt wird. Komplett heißt, alle Hotels und Hostels schließen, keiner kommt raus oder rein. Ah ja! Kein Problem, dann fahr ich eben weiter… Falsch gedacht! Ganz China ist zur langen freien Woche auf den Beinen bzw. Rädern – quer durchs Land. Keine Zug- oder Flugtickets mehr zu bekommen. Ein wenig tröstet mich ja, dass die Ahnungslosigkeit nicht nur mich, sondern fast jeden Reisenden trifft. Nicht einmal die Unterkünfte wissen, wann genau sie schließen müssen. Ok, Plan C muss her. Ich buche mir ein kleines Hostel Nähe der Great Wall und bin damit erst einmal versorgt. Zeit für etwas Sightseeing…
Temple of Heaven
Ich schlendere ein paar Blocks und erreiche auch schon den Temple of Heaven mit seinem großen Park und den verschiedenen Stationen. Ich schlendere weiter, hier und da ein Foto, Tafeln kann ich leider nicht lesen, alles auf Chinesisch. Und wie ich so schlendere merke ich, wie sehr mich Sightseeing inzwischen langweilt. Das wird – dessen bin ich mir bewusst – dem Temple of Heaven und ganz Peking nicht gerecht. Aber ich kann es nicht ändern. Es sind Gebäude, irgendwie tot. Ich muss mir eingestehen: Der typische Reisende bin ich wohl nicht. Eine zeitlang hat genau das Spaß gemacht. Mittelfristig interessiert mich das Leben, die Menschen! Und das ist bestimmt auch nicht verkehrt – attestiere ich mir selbst.
Das moderne Peking, das Leben
Also widme ich mich wieder dem Hier und Jetzt, dem Heute und dem Leben. Ich treffe mich mit Freunden, Chinesen, die in Peking leben. Wir haben uns in Sibirien kennen kennengelernt. Ich teste spannendes, überragendes Essen, wir radeln durch „ihre“ Stadt und wir verbringen einfach Zeit gemeinsam. Jaaa! Das ist es. Das bin ich. Das bereichert, fasziniert, inspiriert mich. Gibt Denkanstöße, Erkenntnisse und erweitert den eigenen Horizont.
An die Angel, fertig, los…
Plan C und was daraus wurde: Wie eingangs erwähnt, musste ich fliehen – die Stadt verlassen, freigeben für die große Parade und Feierlichkeiten rund um das 70. Jubiläum. Angekommen in meiner Unterkunft stellt sich heraus, dass ich für die umgerechnet 7 € pro Nacht, nicht in einem Dorm nächtige, sondern in einem brandneuen, schicken Einzelzimmer mit eigenem, noch schickerem Bad. Familienanschluss gibt es gratis obendrauf.
Heißt: Ein nächstes First-Time-Thing wartet auf mich. Es geht raus zum Fischen in ein ca. 1,5 Stunden entferntes Reservoir. Welch Ruhe hier. Nur ein paar andere Angler – man kennt sich anscheinend. Gesprochen wird trotzdem nicht viel. Super angenehme Stunden. Und anschließend fahren wir natürlich in die nächste Ortschaft zum Fisch essen – Hot Pot, was sonst?!
Great Great Wall
Und dann war ja noch die eine Sache, wegen der ich eigentlich da war: die Great Wall of China. Zum Sonnenaufgang, noch vor dem großen Ansturm. Eine beeindruckende, tolle Stunde hatten wir dort fast allein. Wir wanderten die Mauer entlang, auf und ab, kein Ende in Sicht. Auf dem Rückweg, waren wir für die Morgenstunden an der Great Wall nochmal zusätzlich dankbar. Ich hatte erwähnt, dass aufgrund der Feiertage, ganz China reist? Und das natürlich besonders gerne zu einer der wichtigsten Sehenswürdigkeiten des Landes. Die Busse waren inzwischen in Scharen angekommen… und wir glücklicher Weise auf dem Rückweg.
Ein paar beeindruckende Fakten zur Great Wall gibt es hier.
Dinge, die ich in China gelernt habe
1. Einen ganzen Fisch mit Stäbchen zu essen. Sezieren, Gräten entfernen, das zarte Fleisch genießen – das alles mit diesen zwei Sticks. Und es geht. Gar nicht so schwer eigentlich. Ich bin zumindest nicht verhungert unterwegs. Und natürlich hab ich auch gelernt, wie man angelt. Von nichts kommt ja nichts.
2. {Khhhhrrrr tfuuuu} ist wirklich ein ganz gewöhnliches chinesisches Geräusch. Meint: Sie tun es wirklich. Schleim kräftig hochziehen und raus damit. Ständig und überall. Auch in der Küche, nachdem ich mir gerade etwas zu Essen bestellt habe. Ich kann nicht behaupten, dass man sich daran irgendwann gewöhnt. Ich zumindest nicht so schnell.
3. Mit Englisch kommt man hier tatsächlich nicht weit. Obwohl es die Hauptstadt ist. Selbst Speisekarten sind oftmals nur auf Chinesisch und ohne Bilder. Das macht die Auswahl dann etwas abenteuerlicher. Schließlich kann man sich nicht sicher sein, kommt ja so einiges auf den Tisch in China. Ich weiß also gar nicht genau, was ich alles gegessen habe. Geschmeckt hat es aber meistens.
4. Ohne WeChat geht gar nichts. Irgendwie beeindruckend, wie hier jede Altersgruppe ganz selbstverständlich digital unterwegs ist. Kommunikation, Abendplanung, Übersetzung, Bezahlen – alles über WeChat. Biste nicht drin, biste nicht drin.
5. Hot Pot so weit das Auge reicht. Und das in allen Variationen. Nagut, Dumplings sind auch ganz weit oben. Hauptsache mit Fleisch. Ein paar wenige vegetarische Dinge sind aber durchaus auch zu finden. Wenige.
6. Geh mir an die Freiheit und ich dreh rot. Man weiß es ja, China hat seine eigenen Systeme, das Internet ist nicht frei und und und. Das es mich dennoch so hart trifft, hätte ich nicht gedacht. Und ich merke, es fällt mir schwer, es auszuhalten, stillzuhalten.
7. Öffentliche Toiletten an jeder Ecke – praktisch… bis zu der Erkenntnis: Die sind nicht in erster Linie für die Touris da, die werden von den Anwohnern benötigt. In den Hutongs gibt es nämlich kein eigenes Badezimmer.
8. Smog – sichtbar reichlich vorhanden. Die ersten Tage fiel es mir gar nicht so auf. Deutlich wurde es dann an der Great Wall, als der Nebel bis Mittag immer noch nicht verzogen war. Der Flug von Peking nach Seoul zeigte dann die ganze Wahrheit, unverblümt. Bereits 3 Minuten nach dem Start durchbricht man diesen wie ein Deckel über der Stadt schwebende Schleier. Nicht nur über der Stadt. Den Boden hab ich erst wieder gesehen, als bereits Meer unter uns war.